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ACHTES KAPITEL

Wie man den Höchsten erreicht

Text

arjuna uvāca
kiṁ tad brahma kim adhyātmaṁ
kiṁ karma puruṣottama
adhibhūtaṁ ca kiṁ proktam
adhidaivaṁ kim ucyate

Synonyms

arjunaḥ uvāca — Arjuna sagte; kim — was; tat — dieses; brahma — Brahman; kim — was; adhyātmam — das Selbst; kim — was; karma — fruchtbringende Tätigkeiten; puruṣa-uttama — o Höchste Person; adhibhūtam — die materielle Manifestation; ca — und; kim — was; proktam — wird genannt; adhidaivam — die Halbgötter; kim — was; ucyate — wird genannt.

Translation

Arjuna fragte: O mein Herr, o Höchste Person, was ist Brahman? Was ist das Selbst? Was sind fruchtbringende Tätigkeiten? Was ist die materielle Manifestation? Und was sind die Halbgötter? Bitte erkläre mir dies.

Purport

ERLÄUTERUNG: In diesem Kapitel beantwortet Śrī Kṛṣṇa verschiedene Fragen Arjunas, angefangen mit der Frage: „Was ist Brahman?“ Der Herr erklärt auch karma (fruchtbringende Tätigkeiten), hingebungsvollen Dienst, die Prinzipien des yoga und hingebungsvollen Dienst in seiner reinen Form. Das Śrīmad-Bhāgavatam erklärt, daß die Höchste Absolute Wahrheit als Brahman, Paramātmā und Bhagavān bezeichnet wird. Darüber hinaus wird auch das Lebewesen, die individuelle Seele, Brahman genannt. Eine andere Frage Arjunas bezieht sich auf den ātmā, was Körper, Seele oder Geist bedeuten kann. Gemäß dem vedischen Wörterbuch bezieht sich ātmā sowohl auf den Geist, die Seele, den Körper wie auch auf die Sinne.

Arjuna sprach den Höchsten Herrn als Puruṣottama, „Höchste Person“, an, was bedeutet, daß er diese Fragen nicht bloß einem Freund stellte, sondern der Höchsten Person, da er wußte, daß Kṛṣṇa als höchste Autorität imstande ist, endgültige Antworten zu geben.

Text

adhiyajñaḥ kathaṁ ko ’tra
dehe ’smin madhusūdana
prayāṇa-kāle ca kathaṁ
jñeyo ’si niyatātmabhiḥ

Synonyms

adhiyajñaḥ — der Herr des Opfers; katham — wie; kaḥ — wer; atra — hier; dehe — im Körper; asmin — dieser; madhusūdana — o Madhusūdana; prayāṇa-kāle — zur Zeit des Todes; ca — und; katham — wie; jñeyaḥ asi — kannst Du gekannt werden; niyata-ātmabhiḥ — von den Selbstbeherrschten.

Translation

Wer ist der Herr des Opfers, und wie lebt Er im Körper, o Madhusūdana? Und wie können diejenigen, die im hingebungsvollen Dienst tätig sind, Dich zur Zeit des Todes kennen?

Purport

ERLÄUTERUNG: „Herr des Opfers“ kann sich sowohl auf Indra als auch auf Viṣṇu beziehen. Viṣṇu ist der Herr der Haupthalbgötter, einschließlich Brahmās und Śivas, und Indra ist der Herr der verwaltenden Halbgötter. Sowohl Indra als auch Viṣṇu werden durch die Darbringung von yajñas verehrt, doch hier fragt Arjuna, wer tatsächlich der Herr des yajña, des Opfers, ist und wie Sich dieser im Körper des Lebewesens befindet.

Hier wird Kṛṣṇa von Arjuna als Madhusūdana angesprochen, weil Er einmal einen Dämon namens Madhu tötete. Diese Fragen, die einige Zweifel verraten, hätten in Arjunas Geist eigentlich nicht auftauchen dürfen, denn Arjuna war ein Kṛṣṇa-bewußter Gottgeweihter. Deshalb werden diese Zweifel mit Dämonen verglichen, und weil Kṛṣṇa im Töten von Dämonen so erfahren ist, spricht Arjuna Ihn hier mit dem Namen Madhusūdana an, um Kṛṣṇa zu bitten, Er möge die dämonischen Zweifel seines Geistes töten.

Das Wort prayāṇa-kāle, das in diesem Vers benutzt wird, ist sehr bedeutsam, denn alles, was wir in diesem Leben tun, wird zur Zeit des Todes geprüft werden. Arjuna ist sehr bestrebt zu erfahren, wie diejenigen, die sich ständig im Kṛṣṇa-Bewußtsein betätigen, diese letzte Prüfung bestehen können. Zum Zeitpunkt des Todes sind alle körperlichen Funktionen gestört, und der Geist befindet sich in einem aufgewühlten Zustand. Wenn man auf diese Weise von körperlichen Leiden gepeinigt wird, ist es nicht sicher, daß man sich an den Höchsten Herrn zu erinnern vermag. Mahārāja Kulaśekhara, ein großer Gottgeweihter, betet: „Mein lieber Herr, es ist besser, wenn ich sogleich sterbe, jetzt, wo ich noch gesund bin, so daß der Schwan meines Geistes in den Stengel Deiner Lotosfüße eintauchen kann.“ Diese Metapher wird gebraucht, weil der Schwan als Wasservogel Freude daran findet, in den Lotosblumen herumzuwühlen; in seinem spielerischen Trieb liebt er es, in die Lotosblumen einzutauchen. Mahārāja Kulaśekhara sagt also zum Herrn: „Mein Geist ist nun ausgeglichen, und ich bin gesund. Wenn ich sogleich sterbe und an Deine Lotosfüße denke, dann bin ich überzeugt, daß ich in der Ausführung Deines hingebungsvollen Dienstes die Vollkommenheit erreicht habe. Aber wenn ich auf meinen natürlichen Tod warten muß, dann weiß ich nicht, was geschehen wird, denn zu diesem Zeitpunkt werden die körperlichen Funktionen völlig gestört sein, meine Kehle wird verstopft sein, und ich weiß nicht, ob ich fähig sein werde, Deinen Namen zu chanten. Laß mich daher lieber sogleich sterben.“ Arjuna fragt also, wie man seinen Geist zu einer solchen Zeit auf Kṛṣṇas Lotosfüße richten kann.

Text

śrī-bhagavān uvāca
akṣaraṁ brahma paramaṁ
svabhāvo ’dhyātmam ucyate
bhūta-bhāvodbhava-karo
visargaḥ karma-saṁjñitaḥ

Synonyms

śrī-bhagavān uvāca — die Höchste Persönlichkeit Gottes sprach; akṣaram — unzerstörbar; brahma — Brahman; paramam — transzendental; svabhāvaḥ — ewige Natur; adhyātmam — das Selbst; ucyate — wird genannt; bhūta-bhāva-udbhava-karaḥ — die materiellen Körper der Lebewesen erzeugend; visargaḥ — Schöpfung; karma — fruchtbringende Tätigkeiten; saṁjñitaḥ — wird genannt.

Translation

Die Höchste Persönlichkeit Gottes sprach: Das unzerstörbare, transzendentale Lebewesen wird Brahman genannt, und seine ewige Natur wird adhyātma, das Selbst, genannt. Tätigkeiten, die sich auf die Entwicklung der materiellen Körper der Lebewesen beziehen, nennt man karma, fruchtbringende Tätigkeiten.

Purport

ERLÄUTERUNG: Das Brahman ist unzerstörbar und existiert ewig, und seine Beschaffenheit verändert sich niemals. Aber über dem Brahman steht Para-brahman. Brahman bezieht sich auf das Lebewesen und Para-brahman auf die Höchste Persönlichkeit Gottes. Die wesensgemäße Stellung des Lebewesens unterscheidet sich von der Stellung, die es in der materiellen Welt einnimmt. Im materiellen Bewußtsein versucht es, Herr über die Materie zu sein; im spirituellen Bewußtsein, im Kṛṣṇa-Bewußtsein, hingegen ist es seine Stellung, dem Höchsten zu dienen. Wenn das Bewußtsein des Lebewesens materiell verunreinigt ist, muß es verschiedene Körper in der materiellen Welt annehmen. Diese mannigfaltige Schöpfung von Körpern unter dem Einfluß materiellen Bewußtseins wird karma genannt.

In den vedischen Schriften wird das Lebewesen als jīvātmā und als Brahman bezeichnet, niemals aber als Para-brahman. Das Lebewesen (jīvātmā) nimmt verschiedene Positionen ein – manchmal sinkt es in die dunkle materielle Natur und identifiziert sich mit Materie, und manchmal identifiziert es sich mit der höheren, spirituellen Natur. Deshalb werden die Lebewesen als die marginale Energie des Höchsten Herrn bezeichnet. Je nachdem, ob sich das Lebewesen mit der materiellen oder mit der spirituellen Natur identifiziert, bekommt es einen materiellen oder spirituellen Körper. In der materiellen Natur kann es irgendeinen Körper aus den 8400000 Lebensformen annehmen, doch in der spirituellen Natur hat es nur einen Körper. In der materiellen Natur erscheint es gemäß seinem karma manchmal als Mensch, Halbgott, Tier, Vogel usw. Um auf die materiellen himmlischen Planeten zu gelangen und ihre Möglichkeiten zur Sinnenbefriedigung zu genießen, führt das Lebewesen manchmal Opfer (yajñas) aus, doch wenn die Reaktionen auf seine frommen Tätigkeiten erschöpft sind, kehrt es in der Form eines Menschen wieder auf die Erde zurück. Dieser Vorgang wird karma genannt.

Der Vorgang, vedische Opfer auszuführen, wird in der Chāndogya Upaniṣad beschrieben. Auf dem Opferaltar werden in fünf verschiedenen Feuern fünf Arten von Opferungen dargebracht. Die fünf Feuer symbolisieren die himmlischen Planeten, die Wolken und die Erde sowie Mann und Frau, und die fünf Arten von Opferdarbringungen sind Glaube, der Genießer auf dem Mond, Regen, Getreide und Samen.

Bei diesem Vorgang vollzieht das Lebewesen bestimmte Opfer, um auf bestimmte himmlische Planeten erhoben zu werden, die es in der Folge auch erreicht. Wenn die Verdienste der Opferdarbringung erschöpft sind, kehrt das Lebewesen in Form von Regen auf die Erde zurück und nimmt die Form von Getreide an; das Getreide wird von einem Mann gegessen und in Samen umgewandelt; der Same befruchtet eine Frau, und auf diese Weise bekommt das Lebewesen erneut einen menschlichen Körper, um Opfer darzubringen und so den gleichen Kreislauf zu wiederholen. Auf diese Weise wandert das Lebewesen auf dem materiellen Pfad unaufhörlich auf und ab. Der Kṛṣṇa-bewußte Mensch jedoch vermeidet solche Opfer. Er wendet sich direkt dem Kṛṣṇa-Bewußtsein zu und bereitet sich so vor, zu Gott zurückzukehren.

Unpersönlichkeitsanhänger, die die Bhagavad-gītā kommentieren, vertreten die unsinnige Theorie, das Brahman nehme in der materiellen Welt die Form des jīva an, und um dies zu belegen, führen sie den siebten Vers des Fünfzehnten Kapitels der Gītā an. In diesem Vers jedoch bezeichnet der Herr die Lebewesen als „Meine ewigen fragmentarischen Teile“. Der fragmentarische Teil Gottes, das Lebewesen, mag in die materielle Welt fallen, doch der Höchste Herr (Acyuta) kommt niemals zu Fall. Deshalb kann die Behauptung, daß das Höchste Brahman die Form des jīva annehme, nicht akzeptiert werden. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, daß in den vedischen Schriften zwischen Brahman (dem Lebewesen) und Para-brahman (dem Höchsten Herrn) unterschieden wird.

Text

adhibhūtaṁ kṣaro bhāvaḥ
puruṣaś cādhidaivatam
adhiyajño ’ham evātra
dehe deha-bhṛtāṁ vara

Synonyms

adhibhūtam — die materielle Manifestation; kṣaraḥ — sich ständig wandelnd; bhāvaḥ — Natur; puruṣaḥ — die universale Form, einschließlich aller Halbgötter, wie Sonne und Mond; ca — und; adhidaivatam — adhidaiva genannt; adhiyajñaḥ — die Überseele; aham — Ich (Kṛṣṇa); eva — gewiß; atra — in diesem; dehe — Körper; deha-bhṛtām — der verkörperten Lebewesen; vara — o Bester.

Translation

O bestes der verkörperten Lebewesen, die materielle Natur, die sich ständig wandelt, wird adhibhūta [die materielle Manifestation] genannt. Die universale Form des Herrn, die alle Halbgötter, wie die der Sonne und des Mondes, umfaßt, wird adhidaiva genannt. Und Ich, der Höchste Herr, der Ich im Herzen aller verkörperten Lebewesen als Überseele gegenwärtig bin, werde adhiyajña [der Herr des Opfers] genannt.

Purport

ERLÄUTERUNG: Die materielle Natur wandelt sich ständig. Materielle Körper durchlaufen im allgemeinen sechs Stadien: sie werden geboren, wachsen, bleiben eine Zeitlang bestehen, erzeugen Nebenprodukte, schwinden dahin und vergehen schließlich. Diese materielle Natur wird adhibhūta genannt. Sie wird zu einem bestimmten Zeitpunkt geschaffen und zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder vernichtet. Die Vorstellung von der universalen Form des Höchsten Herrn, die alle Halbgötter mit ihren jeweiligen Planeten umfaßt, wird adhidaivata genannt. Und im Körper befindet Sich neben der individuellen Seele die Überseele, eine vollständige Repräsentation Śrī Kṛṣṇas. Die Überseele wird Paramātmā oder adhiyajña genannt und befindet Sich im Herzen. Das Wort eva ist im Zusammenhang mit diesem Vers besonders wichtig, weil der Herr mit diesem Wort betont, daß der Paramātmā von Ihm nicht verschieden ist. Die Überseele, die Höchste Persönlichkeit Gottes, die Sich neben der individuellen Seele befindet, ist der Zeuge der Tätigkeiten der individuellen Seele und die Quelle ihrer verschiedenen Bewußtseinszustände. Die Überseele gibt der individuellen Seele die Möglichkeit, frei zu handeln, und beobachtet als Zeuge ihre Tätigkeiten. Der reine, Kṛṣṇa-bewußte Gottgeweihte, der sich im transzendentalen Dienst des Herrn beschäftigt, erkennt automatisch, welche Aufgabe all diese verschiedenen Manifestationen des Höchsten Herrn erfüllen. Die gigantische universale Form des Herrn wird adhidaivata genannt. Sie ist das Ziel des Neulings, der nicht in der Lage ist, sich dem Höchsten Herrn in Seiner Manifestation als Überseele zuzuwenden; ihm wird empfohlen, über die universale Form, den virāṭ-puruṣa, zu meditieren, dessen Beine von den niederen Planeten repräsentiert werden, dessen Augen von der Sonne und dem Mond repräsentiert werden und dessen Kopf vom oberen Planetensystem repräsentiert wird.

Text

anta-kāle ca mām eva
smaran muktvā kalevaram
yaḥ prayāti sa mad-bhāvaṁ
yāti nāsty atra saṁśayaḥ

Synonyms

anta-kāle — am Ende des Lebens; ca — auch; mām — an Mich; eva — gewiß; smaran — sich erinnernd; muktvā — verlassend; kalevaram — den Körper; yaḥ — derjenige, der; prayāti — geht; saḥ — er; mat-bhāvam — Meine Natur; yāti — erreicht; na — nicht; asti — es gibt; atra — hier; saṁśayaḥ — Zweifel.

Translation

Und jeder, der sich am Ende seines Lebens, wenn er seinen Körper verläßt, an Mich allein erinnert, erreicht sogleich Meine Natur. Darüber besteht kein Zweifel.

Purport

ERLÄUTERUNG: Dieser Vers betont die Wichtigkeit des Kṛṣṇa- Bewußtseins. Jeder, der seinen Körper im Kṛṣṇa-Bewußtsein verläßt, wird sogleich zur transzendentalen Natur des Höchsten Herrn erhoben. Der Höchste Herr ist der reinste der Reinen, und deshalb ist jeder, der ständig Kṛṣṇa-bewußt ist, ebenfalls der reinste der Reinen. Das Wort smaran („sich erinnernd“) ist von Bedeutung. Erinnerung an Kṛṣṇa ist für die unreine Seele, die niemals hingebungsvollen Dienst im Kṛṣṇa- Bewußtsein praktiziert hat, nicht möglich. Deshalb sollte man schon vom Anfang des Lebens an Kṛṣṇa-Bewußtsein praktizieren. Wenn man sein Leben erfolgreich beschließen will, ist es unbedingt erforderlich, sich im Vorgang der Erinnerung an Kṛṣṇa zu üben. Deshalb sollte man ständig und ohne Unterlaß den mahā-mantra chanten – Hare Kṛṣṇa, Hare Kṛṣṇa, Kṛṣṇa Kṛṣṇa, Hare Hare/ Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare. Śrī Caitanya hat die Anweisung gegeben, man solle so duldsam wie ein Baum sein (taror api sahiṣṇunā). Jemand, der Hare Kṛṣṇa chantet, mag auf viele Hindernisse stoßen, aber er sollte diese Schwierigkeiten erdulden und fortfahren, Hare Kṛṣṇa, Hare Kṛṣṇa, Kṛṣṇa Kṛṣṇa Hare Hare/ Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare zu chanten. Auf diese Weise kann er am Ende seines Lebens den vollen Nutzen des Kṛṣṇa-Bewußtseins erfahren.

Text

yaṁ yaṁ vāpi smaran bhāvaṁ
tyajaty ante kalevaram
taṁ tam evaiti kaunteya
sadā tad-bhāva-bhāvitaḥ

Synonyms

yam yam — was auch immer; api — überhaupt; smaran — sich erinnernd; bhāvam — Natur; tyajati — gibt auf; ante — am Ende; kalevaram — diesen Körper; tam tam — ebenso; eva — gewiß; eti — bekommt; kaunteya — o Sohn Kuntīs; sadā — immer; tat — diesen; bhāva — Seinszustand; bhāvitaḥ — sich erinnernd.

Translation

Was auch immer der Daseinszustand ist, an den man sich erinnert, wenn man seinen Körper verläßt, o Sohn Kuntīs, diesen Zustand wird man ohne Zweifel erreichen.

Purport

ERLÄUTERUNG: Dieser Vers erklärt den Vorgang, wie man im kritischen Augenblick des Todes seinen Daseinszustand, das heißt seinen Körper, wechselt. Wer am Ende des Lebens, wenn er seinen Körper verläßt, an Kṛṣṇa denkt, erreicht die transzendentale Natur des Höchsten Herrn, aber es ist nicht wahr, daß jemand, der an etwas anderes als an Kṛṣṇa denkt, die gleiche transzendentale Ebene erreicht. Darüber sollten wir uns klar bewußt sein. Wie ist es möglich, im richtigen Bewußtsein zu sterben? In diesem Zusammenhang ist das Beispiel von Mahārāja Bharata sehr lehrreich. Obwohl er eine große Persönlichkeit war, dachte er am Ende seines Lebens an ein Reh, und so wurde er in seinem nächsten Leben im Körper eines Rehes geboren. Als Reh konnte er sich zwar an seine vergangenen Tätigkeiten erinnern, aber dennoch war er gezwungen, in diesem Tierkörper zu leben. Natürlich beeinflussen die Gedanken und Handlungen unseres gegenwärtigen Lebens unseren Bewußtseinszustand zum Zeitpunkt des Todes, und so wird das nächste Leben vom gegenwärtigen Leben bestimmt. Wenn man ein Leben in der Erscheinungsweise der Tugend führt und immer an Kṛṣṇa denkt, ist es einem möglich, sich auch am Ende des Lebens an Kṛṣṇa zu erinnern. Dies wird einem helfen, zur transzendentalen Natur Kṛṣṇas erhoben zu werden. Wenn man in den transzendentalen Dienst Kṛṣṇas vertieft ist, dann wird der nächste Körper, den man erhält, transzendental (spirituell) sein, und nicht materiell. Deshalb ist das Chanten von Hare Kṛṣṇa, Hare Kṛṣṇa, Kṛṣṇa Kṛṣṇa, Hare Hare/ Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare der beste Vorgang, um aus dem Wechsel des Daseinszustandes am Ende des Lebens einen Erfolg zu machen.

Text

tasmāt sarveṣu kāleṣu
mām anusmara yudhya ca
mayy arpita-mano-buddhir
mām evaiṣyasy asaṁśayaḥ

Synonyms

tasmāt — deshalb; sarveṣu — zu allen; kāleṣu — Zeiten; mām — an Mich; anusmara — fahre fort, dich zu erinnern; yudhya — kämpfe; ca — auch; mayi — Mir; arpita — hingebend; manaḥ — Geist; buddhiḥ — Intelligenz; mām — Mir; eva — gewiß; eṣyasi — du wirst erreichen; asaṁśayaḥ — ohne Zweifel.

Translation

Daher, o Arjuna, solltest du immer an Mich in Meiner Form als Kṛṣṇa denken und zur gleichen Zeit deine vorgeschriebene Pflicht des Kämpfens erfüllen. Wenn du deine Tätigkeiten Mir weihst und deinen Geist und deine Intelligenz auf Mich richtest, wirst du Mich ohne Zweifel erreichen.

Purport

ERLÄUTERUNG: Diese Unterweisung, die Arjuna hier bekommt, ist für alle Menschen, die materiellen Tätigkeiten nachgehen, sehr wichtig. Der Herr sagt nicht, daß man seine vorgeschriebenen Pflichten und Beschäftigungen aufgeben soll. Man kann ihnen weiter nachgehen und zur gleichen Zeit an Kṛṣṇa denken, indem man Hare Kṛṣṇa chantet. Dies wird einen von materieller Verunreinigung befreien, und so kann man den Geist und die Intelligenz auf Kṛṣṇa richten. Durch das Chanten von Kṛṣṇas Namen wird man ohne Zweifel zum höchsten Planeten, Kṛṣṇaloka, erhoben werden.

Text

abhyāsa-yoga-yuktena
cetasā nānya-gāminā
paramaṁ puruṣaṁ divyaṁ
yāti pārthānucintayan

Synonyms

abhyāsa-yoga — durch Meditationsübung; yuktena — beschäftigt sein; cetasā — durch den Geist und die Intelligenz; na anya-gāminā — ohne daß sie abgelenkt werden; paramam — die Höchste; puruṣam — Persönlichkeit Gottes; divyam — transzendental; yāti — man erreicht; pārtha — o Sohn Pṛthās; anucintayan — ständig denkend an.

Translation

Wer über Mich als die Höchste Persönlichkeit Gottes meditiert, indem er seinen Geist ständig darin übt, sich an Mich zu erinnern, und von diesem Pfad nicht abweicht, o Pārtha, dem ist es sicher, Mich zu erreichen.

Purport

ERLÄUTERUNG: In diesem Vers betont Śrī Kṛṣṇa, wie wichtig es ist, sich an Ihn zu erinnern. Die Erinnerung an Śrī Kṛṣṇa wird durch den Vorgang des Chantens des Hare-Kṛṣṇa-mahā-mantra wiederbelebt. Durch solches Chanten und Hören der Klangschwingung des Höchsten Herrn werden Ohr, Zunge und Geist beschäftigt. Diese mystische Meditation ist sehr einfach auszuüben, und sie hilft einem, den Höchsten Herrn zu erreichen. Puruṣam bedeutet „Genießer“. Obwohl die Lebewesen zur marginalen Energie des Höchsten Herrn gehören, sind sie in dieser Welt materiell verunreinigt. Sie halten sich selbst für Genießer, doch in Wirklichkeit sind sie nicht der höchste Genießer, denn wie im vorliegenden Vers eindeutig gesagt wird, ist die Höchste Persönlichkeit Gottes in Ihren verschiedenen Manifestationen und vollständigen Erweiterungen als Nārāyaṇa, Vāsudeva usw. der höchste Genießer.

Der Gottgeweihte kann ständig an das Ziel der Verehrung, den Höchsten Herrn, in jedem beliebigen Seiner Aspekte – Nārāyaṇa, Kṛṣṇa, Rāma usw. – denken, indem er Hare Kṛṣṇa chantet. Durch diesen Vorgang wird der Gottgeweihte geläutert, und dank seines ständigen Chantens wird er am Ende des Lebens zum Königreich Gottes erhoben werden. So wie man bei der Ausübung von yoga über die Überseele im Innern meditiert, richtet man beim Chanten von Hare Kṛṣṇa seinen Geist immer auf den Höchsten Herrn. Der Geist ist launisch, und deshalb ist es notwendig, ihn zu zwingen, an Kṛṣṇa zu denken. Ein oft angeführtes Beispiel in diesem Zusammenhang ist das der Raupe, denn ebenso, wie die Raupe einfach dadurch, daß sie ständig daran denkt, ein Schmetterling zu werden, noch im selben Leben in einen Schmetterling verwandelt wird, so können auch wir, wenn wir ständig an Kṛṣṇa denken, mit Sicherheit am Ende unseres Lebens die gleichen körperlichen Eigenschaften erlangen wie Kṛṣṇa.

Text

kaviṁ purāṇam anuśāsitāram
aṇor aṇīyāṁsam anusmared yaḥ
sarvasya dhātāram acintya-rūpam
āditya-varṇaṁ tamasaḥ parastāt

Synonyms

kavim — derjenige, der alles weiß; purāṇam — der Älteste; anuśāsitāram — der Beherrscher; aṇoḥ — als das Atom; aṇīyāṁsam — kleiner; anusmaret — denkt ständig an; yaḥ — derjenige, der; sarvasya — von allem; dhātāram — der Erhalter; acintya — unbegreiflich; rūpam — dessen Form; āditya-varṇam — leuchtend wie die Sonne; tamasaḥ — zur Dunkelheit; parastāt — transzendental.

Translation

Man sollte über die Höchste Person als denjenigen meditieren, der alles weiß, der der Älteste ist, der Meister und Beherrscher von allem, der kleiner als das Kleinste ist, jenseits aller materiellen Vorstellungen und völlig unbegreiflich, und der immer eine Person ist. Er ist leuchtend wie die Sonne, und Er ist transzendental, jenseits der materiellen Natur.

Purport

ERLÄUTERUNG: Dieser Vers beschreibt den Vorgang der Meditation über den Höchsten. Der wichtigste Punkt ist, daß Er nicht unpersönlich oder leer ist. Man kann nicht über etwas Unpersönliches oder Leeres meditieren, und diejenigen, die es versuchen, stoßen auf viele Schwierigkeiten. Der Vorgang, an Kṛṣṇa zu denken, ist hingegen sehr einfach und wird hier praktisch beschrieben. Als erstes wird gesagt, daß der Herr puruṣa, eine Person, ist – wir denken an die Person Rāma und an die Person Kṛṣṇa. Und die Eigenschaften, die mit dieser Person verbunden sind – sei es nun Rāma oder Kṛṣṇa –, werden im vorliegenden Vers der Bhagavad-gītā beschrieben. Der Herr ist kavi, das heißt, Er kennt Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, und deshalb ist Er allwissend. Er ist die älteste Persönlichkeit, weil Er der Ursprung von allem ist; alles wird von Ihm geboren. Er ist auch der höchste Beherrscher des Universums, und Er ist der Erhalter und Lehrer der Menschheit. Er ist kleiner als das Kleinste. Das Lebewesen ist so klein wie der zehntausendste Teil einer Haarspitze, doch der Herr ist so unvorstellbar klein, daß Er sogar in das Herz dieses Teilchens eingehen kann. Deshalb heißt es, daß Er kleiner als das Kleinste ist. Als der Höchste kann Er in das Atom und in das Herz des Kleinsten eingehen und es als Überseele lenken. Doch obwohl Er so klein ist, ist Er alldurchdringend und erhält alles. Von Ihm werden alle Planetensysteme erhalten. Wir fragen uns oft, wie all die großen Planeten im All schweben können, doch wie hier erklärt wird, werden all diese großen Planeten und Galaxien durch die unbegreifliche Energie des Höchsten Herrn erhalten. Das Wort acintya („unbegreiflich“) ist in diesem Zusammenhang sehr bedeutsam. Gottes Energie befindet sich jenseits unseres Vorstellungsvermögens, jenseits der Dimensionen, in denen wir denken, und wird daher als unbegreiflich (acintya) bezeichnet. Wer könnte dies bestreiten? Er durchdringt die gesamte materielle Welt und ist dennoch jenseits von ihr. Wie können wir begreifen, was jenseits der materiellen Welt ist, wenn wir nicht einmal die materielle Welt begreifen, die, verglichen mit der spirituellen Welt, unbedeutend ist? Acintya bezieht sich auf das, was sich jenseits der materiellen Welt befindet, das, was unsere Argumente, unsere Logik und unsere philosophische Spekulation übersteigt, das, was unbegreiflich ist. Deshalb sollten intelligente Menschen nutzlose Argumente und Spekulationen vermeiden und akzeptieren, was in den Schriften wie den Veden, der Bhagavad-gītā und dem Śrīmad-Bhāgavatam gesagt wird, und den dort festgelegten Prinzipien folgen. Dieser Pfad wird einen zum wahren Wissen führen.

Text

prayāṇa-kāle manasācalena
bhaktyā yukto yoga-balena caiva
bhruvor madhye prāṇam āveśya samyak
sa taṁ paraṁ puruṣam upaiti divyam

Synonyms

prayāṇa-kāle — zur Zeit des Todes; manasā — durch den Geist; acalena — ohne daß er abgelenkt wird; bhaktyā — in vollkommener Hingabe; yuktaḥ — beschäftigt; yoga-balena — durch die Kraft des mystischen yoga; ca — auch; eva — gewiß; bhruvoḥ — die beiden Augenbrauen; madhye — zwischen; prāṇam — die Lebensluft; āveśya — richtend; samyak — vollständig; saḥ — er; tam — diese; param — transzendentale; puruṣam — Persönlichkeit Gottes; upaiti — erreicht; divyam — im spirituellen Königreich.

Translation

Wer zum Zeitpunkt des Todes seine Lebensluft zwischen die Augenbrauen richtet und sich durch die Kraft von yoga in vollkommener Hingabe an den Höchsten Herrn erinnert, ohne im Geist abzuweichen, wird die Höchste Persönlichkeit Gottes mit Gewißheit erreichen.

Purport

ERLÄUTERUNG: In diesem Vers wird unmißverständlich gesagt, daß der Geist zur Zeit des Todes in Hingabe auf die Höchste Persönlichkeit Gottes gerichtet werden muß. Denjenigen, die im yoga geübt sind, wird empfohlen, die Lebenskraft zum Punkt zwischen den Augenbrauen, dem ājñā-cakra, zu erheben. Der vorliegende Vers empfiehlt den Vorgang des ṣaṭ-cakra-yoga, das heißt den Vorgang der Meditation über die sechs cakras. Ein reiner Gottgeweihter jedoch praktiziert nicht solchen yoga, sondern er beschäftigt sich immer nur im Kṛṣṇa-Bewußtsein, und deshalb ist es ihm zum Zeitpunkt des Todes durch Kṛṣṇas Gnade möglich, sich an Ihn, die Höchste Persönlichkeit Gottes, zu erinnern. Dies wird in Vers vierzehn erklärt.

Die Worte yoga-balena sind in diesem Vers besonders wichtig, denn ohne yoga zu praktizieren – sei es nun ṣaṭ-cakra-yoga oder bhakti-yoga –, kann man diesen transzendentalen Seinszustand zum Zeitpunkt des Todes nicht erreichen. Man kann sich nicht einfach beim Tod plötzlich an den Höchsten Herrn erinnern, wenn man sich nicht zuvor in einem yoga-System, insbesondere im System des bhakti-yoga, geübt hat. Da der Geist zur Zeit des Todes sehr aufgewühlt ist, sollte man sich während des Lebens durch yoga darum bemühen, die transzendentale Stufe zu erreichen.

Text

yad akṣaraṁ veda-vido vadanti
viśanti yad yatayo vīta-rāgāḥ
yad icchanto brahma-caryaṁ caranti
tat te padaṁ saṅgraheṇa pravakṣye

Synonyms

yat — das, was; akṣaram — die Silbe oṁ; veda-vidaḥ — diejenigen, die die Veden kennen; vadanti — sprechen; viśanti — gehen ein; yat — in welches; yatayaḥ — große Weise; vīta-rāgāḥ — im Lebensstand der Entsagung; yat — das, was; icchantaḥ — sich wünschend; brahma-caryam — Zölibat; caranti — befolgen; tat — das; te — dir; padam — Zustand; saṅgraheṇa — zusammengefaßt; pravakṣye — Ich werde erklären.

Translation

Die großen Weisen im Lebensstand der Entsagung, die in den Veden bewandert sind und den oṁ-kāra chanten, gehen in das Brahman ein. Wer sich solche Vollkommenheit wünscht, lebt im Zölibat. Ich werde dir jetzt kurz diesen Vorgang erklären, durch den man Erlösung erlangen kann.

Purport

ERLÄUTERUNG: Śrī Kṛṣṇa empfahl Arjuna den Vorgang des ṣaṭ- cakra-yoga, bei dem man die Lebensluft zwischen die Augenbrauen richtet. Weil Kṛṣṇa davon ausgeht, daß Arjuna nicht weiß, wie man ṣaṭ-cakra-yoga praktiziert, will Er nun in den folgenden Versen diesen Vorgang erklären. Er weist darauf hin, daß das Brahman, obwohl eins und absolut, vielfältige Manifestationen und Aspekte hat. Der Aspekt, der insbesondere für die Unpersönlichkeitsanhänger wichtig ist, ist der akṣara oder oṁ-kāra (die Silbe oṁ), der mit dem Brahman identisch ist. Kṛṣṇa erklärt hier das unpersönliche Brahman, in das die Weisen im Stand der Entsagung eingehen.

Im vedischen System der Bildung werden die Schüler von Anfang an darin unterrichtet, oṁ zu chanten und Wissen über das absolute unpersönliche Brahman zu entwickeln, indem sie im strikten Zölibat mit dem spirituellen Meister zusammenleben. Durch diese Ausbildung erkennen sie zwei der Aspekte des Brahman. Dieses System ist sehr wichtig, damit die Schüler im spirituellen Leben Fortschritte machen können, doch in der heutigen Zeit ist ein solches brahmacārī-Leben (unverheiratetes, zölibatäres Leben) nicht möglich. Die soziale Struktur der Welt hat sich so sehr verändert, daß es keine Möglichkeit mehr gibt, von Beginn des Schülerlebens an den Prinzipien des Zölibats zu folgen. Überall auf der Welt gibt es Institutionen für verschiedenste Wissensgebiete, aber es gibt keine anerkannte Institution, in der die Schüler in den Prinzipien des brahmacarya erzogen werden können. Ohne im Zölibat zu leben, ist es sehr schwierig, im spirituellen Leben Fortschritt zu machen. Deshalb hat Śrī Caitanya gelehrt, daß es gemäß den Anweisungen der Schriften im gegenwärtigen Zeitalter des Kali keinen anderen Weg gibt, den Höchsten zu erkennen, als das Chanten der Heiligen Namen Śrī Kṛṣṇas: Hare Kṛṣṇa, Hare Kṛṣṇa, Kṛṣṇa Kṛṣṇa, Hare Hare/ Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare.

Text

sarva-dvārāṇi saṁyamya
mano hṛdi nirudhya ca
mūrdhny ādhāyātmanaḥ prāṇam
āsthito yoga-dhāraṇām

Synonyms

sarva-dvārāṇi — alle Tore des Körpers; saṁyamya — beherrschend; manaḥ — den Geist; hṛdi — im Herzen; nirudhya — eingeschlossen; ca — auch; mūrdhni — auf den Kopf; ādhāya — richtend; ātmanaḥ — der Seele; prāṇam — die Lebensluft; āsthitaḥ — befindlich; yoga-dhāraṇām — die Stufe des yoga.

Translation

Yoga bedeutet, sich von allen Tätigkeiten der Sinne zu lösen. Indem man alle Tore der Sinne schließt, den Geist auf das Herz und die Lebensluft auf den höchsten Punkt des Kopfes richtet, wird man im yoga gefestigt.

Purport

ERLÄUTERUNG: Um yoga zu praktizieren, wie es hier beschrieben wird, muß man zuerst alle Tore des Sinnengenusses schließen. Diesen Vorgang nennt man pratyāhāra, das Zurückziehen der Sinne von ihren Objekten. Die Sinnesorgane, mit denen man Wissen erwirbt – die Augen, die Ohren, die Nase, die Zunge und der Tastsinn –, sollten völlig beherrscht werden, und es sollte ihnen nicht gestattet sein, ihre Begierden zu befriedigen. Auf diese Weise richtet sich der Geist auf die Überseele im Herzen, und die Lebenskraft wird zum höchsten Punkt des Kopfes erhoben. Dieser Vorgang wird im Sechsten Kapitel detailliert erklärt. Aber wie bereits gesagt wurde, ist dieser Vorgang im gegenwärtigen Zeitalter nicht mehr durchführbar. Der beste Vorgang ist Kṛṣṇa-Bewußtsein. Wenn man imstande ist, seinen Geist im hingebungsvollen Dienst immer auf Kṛṣṇa zu richten, ist es sehr leicht, in ungestörter transzendentaler Trance, samādhi, zu bleiben.

Text

oṁ ity ekākṣaraṁ brahma
vyāharan mām anusmaran
yaḥ prayāti tyajan dehaṁ
sa yāti paramāṁ gatim

Synonyms

oṁ — die Buchstabenkombination des oṁ (oṁ-kāra); iti — auf diese Weise; eka-akṣaram — die eine Silbe; brahma — absolut; vyāharan — vibrierend; mām — an Mich (Kṛṣṇa); anusmaran — sich erinnernd; yaḥ — jeder, der; prayāti — verläßt; tyajan — aufgebend; deham — den Körper; saḥ — er; yāti — erreicht; paramām — die höchste; gatim — Bestimmung.

Translation

Wenn man in diesem yoga-Vorgang gefestigt ist und die heilige Silbe oṁ, die höchste Buchstabenkombination, chantet und wenn man dann beim Verlassen des Körpers an die Höchste Persönlichkeit Gottes denkt, wird man mit Sicherheit die spirituellen Planeten erreichen.

Purport

ERLÄUTERUNG: In diesem Vers wird eindeutig gesagt, daß oṁ, Brahman und Śrī Kṛṣṇa nicht verschieden sind. Oṁ ist die unpersönliche Klangrepräsentation Kṛṣṇas, aber oṁ ist in der Klangschwingung von Hare Kṛṣṇa enthalten. Deshalb wird für das gegenwärtige Zeitalter das Chanten des Hare-Kṛṣṇa-mantra empfohlen. Wenn man am Ende seines Lebens den Körper verläßt und dabei Hare Kṛṣṇa, Hare Kṛṣṇa, Kṛṣṇa Kṛṣṇa, Hare Hare/ Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare chantet, wird man mit Sicherheit einen der spirituellen Planeten erreichen, je nachdem, welcher Verehrung man sich zugewandt hat. Die Geweihten Kṛṣṇas gelangen auf den Planeten Kṛṣṇas, Goloka Vṛndāvana, und andere, die ebenfalls den persönlichen Aspekt Gottes verehren, gelangen auf einen der unzähligen Vaikuṇṭha-Planeten im spirituellen Himmel. Die Unpersönlichkeitsanhänger hingegen bleiben im brahmajyoti.

Text

ananya-cetāḥ satataṁ
yo māṁ smarati nityaśaḥ
tasyāhaṁ su-labhaḥ pārtha
nitya-yuktasya yoginaḥ

Synonyms

ananya-cetāḥ — ohne Abweichung des Geistes; satatam — immer; yaḥ — jeder, der; mām — an Mich (Kṛṣṇa); smarati — erinnert sich; nityaśaḥ — regelmäßig; tasya — für ihn; aham — Ich bin; su-labhaḥ — sehr leicht zu erreichen; pārtha — o Sohn Pṛthās; nitya — regelmäßig; yuktasya — beschäftigt; yoginaḥ — für den Gottgeweihten.

Translation

Für denjenigen, der sich, ohne abzuweichen, an Mich erinnert, bin Ich sehr leicht zu erreichen, o Sohn Pṛthās, da er sich ständig im hingebungsvollen Dienst betätigt.

Purport

ERLÄUTERUNG: Dieser Vers beschreibt insbesondere, welches Ziel die unverfälschten Gottgeweihten, die der Höchsten Persönlichkeit Gottes in bhakti-yoga dienen, letztlich erreichen. In früheren Versen wurden vier Arten von Menschen beschrieben, die Gottgeweihte werden – die Leidenden, die Wißbegierigen, diejenigen, die nach materiellem Gewinn streben, und die spekulierenden Philosophen. Auch verschiedene Vorgänge der Befreiung wurden beschrieben: karma-yoga, jñāna-yoga und haṭha-yoga. In den Prinzipien dieser yoga-Systeme können auch Elemente von bhakti gefunden werden, aber der obige Vers bezieht sich insbesondere auf reinen bhakti-yoga, der nicht im geringsten mit jñāna, karma oder haṭha vermischt ist. Wie durch das Wort ananya-cetāḥ angedeutet wird, wünscht sich ein Gottgeweihter auf der Stufe des reinen bhakti-yoga nichts anderes als Kṛṣṇa. Ein reiner Gottgeweihter wünscht sich nicht, auf die himmlischen Planeten erhoben zu werden oder mit dem brahmajyoti eins zu werden, und er strebt auch nicht nach Erlösung oder Befreiung aus der materiellen Verstrickung. Ein reiner Gottgeweihter begehrt nichts. Im Caitanya-caritāmṛta wird der reine Gottgeweihte als niṣkāma bezeichnet, was bedeutet, daß er kein Selbstinteresse verfolgt. Er allein findet vollkommenen Frieden, und nicht diejenigen, die nach persönlichen Vorteilen trachten. Ein jñāna-yogī, karma-yogī oder haṭha-yogī verfolgt seine eigenen, selbstischen Interessen, aber ein vollkommener Gottgeweihter kennt keinen anderen Wunsch, als die Höchste Persönlichkeit Gottes zu erfreuen. Deshalb sagt der Herr, daß Er für jeden, der unerschütterliche Hingabe zu Ihm hat, leicht zu erreichen ist.

Ein reiner Gottgeweihter ist immer damit beschäftigt, Kṛṣṇa in einem Seiner vielen persönlichen Aspekte hingebungsvollen Dienst darzubringen. Von Kṛṣṇa gehen verschiedenste vollständige Erweiterungen und Inkarnationen aus, wie Rāma und Nṛsiṁha, und einem Gottgeweihten steht es frei zu wählen, auf welche dieser transzendentalen Formen er seinen Geist im liebevollen Dienst richten möchte. Ein solcher Gottgeweihter stößt auf keines der Probleme, von denen die Befolger anderer yoga-Systeme verfolgt werden. Bhakti-yoga ist sehr einfach und rein und leicht zu praktizieren. Man kann diesen Vorgang aufnehmen, indem man einfach Hare Kṛṣṇa chantet. Der Herr ist barmherzig zu allen, doch wie wir bereits erklärt haben, ist Er besonders denen zugeneigt, die Ihm immer, ohne abzuweichen, dienen. Der Herr hilft solchen Gottgeweihten auf verschiedenste Weise. In den Veden (Kaṭha Upaniṣad 1.2.23) heißt es in diesem Zusammenhang: yam evaiṣa vṛṇute tena labhyas/ tasyaiṣa ātmā vivṛṇute tanuṁ svām. „Wer sich völlig ergeben hat und sich im hingebungsvollen Dienst des Höchsten Herrn beschäftigt, ist befähigt, den Höchsten Herrn in Wahrheit zu verstehen.“ Und wie es in der Bhagavad- gītā (10.10) heißt, gibt der Herr einem solchen Gottgeweihten genügend Intelligenz (dadāmi buddhi-yogaṁ tam), so daß dieser Ihn letztlich in Seinem spirituellen Königreich erreichen kann.

Es ist die besondere Qualifikation des reinen Gottgeweihten, daß er immer an Kṛṣṇa denkt, ohne davon abzuweichen und ohne Zeit oder Ort in Betracht zu ziehen. Er sollte sich von keinen Hindernissen aufhalten lassen, und er sollte fähig sein, seinen Dienst überall und zu jeder Zeit auszuführen. Manche Leute sagen, ein Gottgeweihter müsse an heiligen Orten wie Vṛndāvana oder in einer anderen heiligen Stadt des Herrn leben, doch ein reiner Gottgeweihter kann überall leben und durch seinen hingebungsvollen Dienst die Atmosphäre von Vṛndāvana schaffen. Es war Śrī Advaita, der einmal zu Śrī Caitanya sagte: „Wo immer Du bist, o Herr – dort ist Vṛndāvana.“

Die Worte satatam und nityaśaḥ, die „immer“, „regelmäßig“ oder „jeden Tag“ bedeuten, weisen darauf hin, daß sich ein reiner Gottgeweihter ständig an Kṛṣṇa erinnert und über Ihn meditiert. Dies sind die Merkmale eines reinen Gottgeweihten, für den der Herr am leichtesten zu erreichen ist. Bhakti-yoga ist das System, das die Gītā vor allen anderen empfiehlt. Im allgemeinen spricht man von fünf Arten von bhakti-yogīs, die sich im hingebungsvollen Dienst beschäftigen: (1) śānta-bhakta, in einer neutralen Beziehung; (2) dāsya-bhakta, in einer Beziehung als Diener; (3) sakhya-bhakta, in einer Beziehung als Freund; (4) vātsalya-bhakta, in einer elterlichen Beziehung, und (5) mādhurya- bhakta, in einer Beziehung als eheliche Geliebte des Höchsten Herrn. In jeder dieser Beziehungen ist der reine Gottgeweihte ständig im transzendentalen liebevollen Dienst des Höchsten Herrn beschäftigt und kann Ihn nicht vergessen; daher ist der Herr für ihn sehr leicht erreichbar. Ein reiner Gottgeweihter kann den Herrn nicht einmal für einen Augenblick vergessen, und ebenso kann der Höchste Herr Seinen Geweihten nicht einmal für einen Augenblick vergessen. Dies ist die große Segnung, die einem durch den Kṛṣṇa-bewußten Vorgang des Chantens des mahā- mantra – Hare Kṛṣṇa, Hare Kṛṣṇa, Kṛṣṇa Kṛṣṇa, Hare Hare/ Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare – zuteil wird.

Text

mām upetya punar janma
duḥkhālayam aśāśvatam
nāpnuvanti mahātmānaḥ
saṁsiddhiṁ paramāṁ gatāḥ

Synonyms

mām — Mich; upetya — erreichend; punaḥ — wieder; janma — Geburt; duḥkha-ālayam — Ort der Leiden; aśāśvatam — zeitweilig; na — niemals; āpnuvanti — erreichen; mahā-ātmānaḥ — die großen Seelen; saṁsiddhim — Vollkommenheit; paramām — die höchste; gatāḥ — erreicht habend.

Translation

Nachdem die großen Seelen, die hingegebenen yogīs, Mich erreicht haben, kehren sie nie wieder in diese zeitweilige Welt zurück, die voller Leiden ist, denn sie haben die höchste Vollkommenheit erreicht.

Purport

ERLÄUTERUNG: Da die zeitweilige materielle Welt ein Ort der Leiden ist, wo sich Geburt, Alter, Krankheit und Tod wiederholen, ist es natürlich, daß derjenige, der die höchste Vollkommenheit erreicht hat und zum höchsten Planeten, Kṛṣṇaloka, Goloka Vṛndāvana, gelangt, nicht mehr den Wunsch hat zurückzukehren. Die vedischen Schriften bezeichnen den höchsten Planeten als avyakta und akṣara und als paramā gati; mit anderen Worten, dieser Planet liegt jenseits unserer materiellen Sicht, und er ist unerklärlich, aber er ist das höchste Ziel, der Bestimmungsort der mahātmās (der großen Seelen). Die mahātmās empfangen von den selbstverwirklichten Gottgeweihten transzendentale Botschaften, und auf diese Weise entwickeln sie allmählich hingebungsvollen Dienst im Kṛṣṇa-Bewußtsein und vertiefen sich so sehr in den transzendentalen Dienst, daß sie nicht mehr danach streben, auf einen der materiellen Planeten erhoben zu werden, ja sie wollen nicht einmal auf einen spirituellen Planeten erhoben werden. Sie wünschen sich ausschließlich Kṛṣṇa und Kṛṣṇas Gemeinschaft, und sonst nichts. Das ist die höchste Vollkommenheit des Lebens. Dieser Vers bezieht sich insbesondere auf die Persönlichkeitsanhänger, die Geweihten des Höchsten Herrn, Kṛṣṇa. Diese Gottgeweihten im Kṛṣṇa-Bewußtsein erreichen die höchste Vollkommenheit. Mit anderen Worten, sie sind die höchsten Seelen.

Text

ā-brahma-bhuvanāl lokāḥ
punar āvartino ’rjuna
mām upetya tu kaunteya
punar janma na vidyate

Synonyms

ā-brahma-bhuvanāt — bis hinauf zum Planeten Brahmaloka; lokāḥ — die Planetensysteme; punaḥ — wieder; āvartinaḥ — zurückkehrend; arjuna — o Arjuna; mām — zu Mir; upetya — kommend; tu — aber; kaunteya — o Sohn Kuntīs; punaḥ janma — Wiedergeburt; na — niemals; vidyate — findet statt.

Translation

Alle Planeten in der materiellen Welt – vom höchsten bis hinab zum niedrigsten – sind Orte des Leids, an denen sich Geburt und Tod wiederholen. Wer aber in Mein Reich gelangt, o Sohn Kuntīs, wird niemals wieder geboren.

Purport

ERLÄUTERUNG: Alle Arten von yogīskarma-yogīs, jñāna-yogīs, haṭha-yogīs usw. – müssen irgendwann einmal zur Stufe der vollkommenen Hingabe im bhakti-yoga oder Kṛṣṇa-Bewußtsein kommen, bevor sie in das transzendentale Reich Kṛṣṇas gelangen können, von wo sie niemals wieder zurückzukehren brauchen. Selbst diejenigen, die die höchsten materiellen Planeten, die Planeten der Halbgötter, erreichen, bleiben Gefangene im Kreislauf von Geburt und Tod. So wie die Menschen von der Erde zu höheren Planeten erhoben werden, so fallen die Bewohner der höheren Planeten, wie Brahmaloka, Candraloka, Indraloka usw., auf die Erde herab. Wenn man das Opfer namens pañcāgni-vidyā ausführt, das in der Chāndogya Upaniṣad empfohlen wird, kann man auf Brahmaloka erhoben werden, doch wenn man auf Brahmaloka kein Kṛṣṇa-Bewußtsein entwickelt, muß man wieder zur Erde zurückkehren. Diejenigen, die auf den höheren Planeten im Kṛṣṇa-Bewußtsein Fortschritt machen, gelangen allmählich zu immer höheren Planeten und werden zur Zeit der universalen Vernichtung zum ewigen spirituellen Königreich erhoben. Baladeva Vidyābhūṣaṇa zitiert in seinem Kommentar zur Bhagavad-gītā den folgenden Vers:

brahmaṇā saha te sarve
samprāpte pratisañcare
parasyānte kṛtātmānaḥ
praviśanti paraṁ padam

„Wenn das materielle Universum vernichtet wird, werden Brahmā und seine Geweihten, die ständig ins Kṛṣṇa-Bewußtsein vertieft sind, in die spirituelle Welt erhoben und erreichen dort, ihren Wünschen entsprechend, bestimmte spirituelle Planeten.“

Text

sahasra-yuga-paryantam
ahar yad brahmaṇo viduḥ
rātriṁ yuga-sahasrāntāṁ
te ’ho-rātra-vido janāḥ

Synonyms

sahasra — eintausend; yuga — Zeitalter; paryantam — einschließlich; ahaḥ — Tag; yat — derjenige, der; brahmaṇaḥ — Brahmās; viduḥ — sie wissen; rātrim — Nacht; yuga — Zeitalter; sahasra-antām — ebenso zu Ende nach eintausend; te — sie; ahaḥ-rātra — Tag und Nacht; vidaḥ — die verstehen; janāḥ — Menschen.

Translation

Nach menschlicher Zeitrechnung ergeben eintausend Zeitalter zusammengenommen die Dauer eines Tages im Leben Brahmās. Und ebensolange währt seine Nacht.

Purport

ERLÄUTERUNG: Das materielle Universum existiert nur für eine begrenzte Zeitspanne. Diese Zeitspanne unterteilt sich in Einheiten von kalpas. Ein kalpa ist ein Tag Brahmās, und ein Tag Brahmās besteht aus eintausend Zyklen von je vier yugas oder Zeitaltern: Satya, Tretā, Dvāpara und Kali. Das Zeitalter des Satya ist von Tugend, Weisheit und Religion charakterisiert; im Satya-yuga gibt es praktisch keine Unwissenheit und kein Laster, und dieses yuga dauert 1728000 Jahre. Im Tretā-yuga treten Laster auf, und dieses yuga dauert 1296000 Jahre. Im Dvāpara-yuga nehmen Tugend und Religion noch mehr ab, und die Laster nehmen zu; dieses yuga dauert 864000 Jahre. Und im Kali- yuga schließlich (dem yuga, das vor 5000 Jahren begonnen hat) nehmen Streit, Unwissenheit, Irreligion und Laster überhand, und wahre Tugend ist so gut wie nicht mehr vorhanden; dieses yuga dauert 432000 Jahre. Im Kali-yuga nimmt die Lasterhaftigkeit solche Ausmaße an, daß am Ende des yuga der Höchste Herr persönlich als Kalki-avatāra erscheint, die Dämonen vernichtet, Seine Geweihten rettet und ein neues Satya-yuga einleitet. Dann beginnt der gleiche Zyklus wieder von vorn. Tausend Zyklen dieser vier yugas stellen einen Tag Brahmās dar, und ebensolang dauert seine Nacht. Brahmā lebt einhundert solcher „Jahre“ und stirbt dann. Diese einhundert Jahre betragen nach unserer Zeitrechnung insgesamt 311 Billionen und 40 Milliarden Erdenjahre. Nach diesen Berechnungen scheint das Leben Brahmās phantastisch und unendlich lang zu sein, doch aus der Sicht der Ewigkeit ist es so kurz wie ein aufleuchtender Blitz. Im Ozean der Ursachen gibt es unzählige Brahmās, die wie Blasen im Atlantik entstehen und wieder vergehen. Brahmā und seine Schöpfung sind Teil des materiellen Universums, und daher befinden sie sich in ständigem Wandel.

Im materiellen Universum ist nicht einmal Brahmā von Geburt, Alter, Krankheit und Tod frei. Aber weil Brahmā direkt im Dienst des Höchsten Herrn, in der Verwaltung des Universums, tätig ist, erlangt er sogleich Befreiung. Fortgeschrittene sannyāsīs werden auf Brahmās Planeten, Brahmaloka, erhoben, der der höchste Planet im materiellen Universum ist und der alle Planeten im oberen Bereich des himmlischen Planetensystems überdauert; doch unter dem Einfluß des Gesetzes der materiellen Natur sind im Laufe der Zeit auch Brahmā und alle Bewohner von Brahmaloka dem Tod unterworfen.

Text

avyaktād vyaktayaḥ sarvāḥ
prabhavanty ahar-āgame
rātry-āgame pralīyante
tatraivāvyakta-saṁjñake

Synonyms

avyaktāt — vom unmanifestierten Zustand; vyaktayaḥ — Lebewesen; sarvāḥ — alle; prabhavanti — werden manifestiert; ahaḥ-āgame — zu Beginn des Tages; rātri-āgame — beim Anbruch der Nacht; pralīyante — werden vernichtet; tatra — in jenes; eva — gewiß; avyakta — das Unmanifestierte; saṁjñake — das genannt wird.

Translation

Zu Beginn von Brahmās Tag werden alle Lebewesen aus dem unmanifestierten Zustand manifestiert, und wenn danach die Nacht anbricht, gehen sie wieder in das Unmanifestierte ein.

Text

bhūta-grāmaḥ sa evāyaṁ
bhūtvā bhūtvā pralīyate
rātry-āgame ’vaśaḥ pārtha
prabhavaty ahar-āgame

Synonyms

bhūta-grāmaḥ — die Gesamtheit aller Lebewesen; saḥ — diese; eva — gewiß; ayam — dieses; bhūtvā bhūtvā — wiederholtes Geborenwerden; pralīyate — wird vernichtet; rātri — der Nacht; āgame — bei Beginn; avaśaḥ — automatisch; pārtha — o Sohn Pṛthās; prabhavati — wird manifestiert; ahaḥ — des Tages; āgame — zu Beginn.

Translation

Immer wenn Brahmās Tag anbricht, treten alle Lebewesen ins Dasein, und wenn Brahmās Nacht hereinbricht, werden sie hilflos wieder vernichtet.

Purport

ERLÄUTERUNG: Die unintelligenten Lebewesen, die versuchen, in der materiellen Welt zu bleiben, werden manchmal auf die höheren Planeten erhoben, doch dann müssen sie wieder auf die Erde zurückkehren. Während Brahmās Tag können sie auf den höheren und niederen Planeten dieses materiellen Universums ihre Tätigkeiten entfalten, doch wenn Brahmās Nacht hereinbricht, werden sie alle vernichtet. Während des Tages erhalten sie verschiedenste Körper, um materiellen Tätigkeiten nachgehen zu können, doch während der Nacht haben sie keine Körper mehr, sondern befinden sich alle zusammen im Körper Viṣṇus. Und beim Anbruch des nächsten Tages von Brahmā treten sie alle wieder ins Dasein. Bhūtvā bhūtvā pralīyate: Während des Tages werden sie manifestiert, und in der Nacht werden sie vernichtet. Wenn schließlich Brahmās Leben zu Ende geht, werden sie alle vernichtet und bleiben für Millionen und Abermillionen von Jahren in einem unmanifestierten Zustand. Wenn dann in einem anderen Weltalter Brahmā wieder geboren wird, werden auch sie wieder manifestiert. Auf diese Weise werden sie unter dem Bann der materiellen Welt gefangengehalten. Aber diejenigen, die wahrhaft intelligent sind und den Pfad des Kṛṣṇa-Bewußtseins einschlagen, verwenden das menschliche Leben völlig im hingebungsvollen Dienst des Herrn und chanten Hare Kṛṣṇa, Hare Kṛṣṇa, Kṛṣṇa Kṛṣṇa, Hare Hare/ Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare. Auf diese Weise erheben sie sich – bereits in diesem Leben – auf den spirituellen Planeten Kṛṣṇas und erlangen dort ewige Glückseligkeit, ohne solchen Wiedergeburten unterworfen zu sein.

Text

paras tasmāt tu bhāvo ’nyo
’vyakto ’vyaktāt sanātanaḥ
yaḥ sa sarveṣu bhūteṣu
naśyatsu na vinaśyati

Synonyms

paraḥ — transzendental; tasmāt — zu dieser; tu — aber; bhāvaḥ — Natur; anyaḥ — eine andere; avyaktaḥ — unmanifestiert; avyaktāt — zum Unmanifestierten; sanātanaḥ — ewig; yaḥ saḥ — das, was; sarveṣu — die gesamte; bhūteṣu — Manifestation; naśyatsu — vernichtet werdend; na — niemals; vinaśyati — wird vernichtet.

Translation

Jedoch gibt es noch eine andere, unmanifestierte Natur, die ewig ist und zur manifestierten und unmanifestierten Materie in transzendentaler Stellung steht. Sie ist über alles erhaben und vergeht niemals. Wenn alles in der Welt vernichtet wird, bleibt dieser Teil, wie er ist.

Purport

ERLÄUTERUNG: Kṛṣṇas höhere, spirituelle Energie ist transzendental und ewig. Sie befindet sich jenseits aller Wandlungen der materiellen Natur, die während der Tage und Nächte Brahmās manifestiert bzw. vernichtet wird. Kṛṣṇas höhere Energie ist der materiellen Natur qualitativ genau entgegengesetzt. Diese höhere und niedere Natur werden im Siebten Kapitel erklärt.

Text

avyakto ’kṣara ity uktas
tam āhuḥ paramāṁ gatim
yaṁ prāpya na nivartante
tad dhāma paramaṁ mama

Synonyms

avyaktaḥ — unmanifestiert; akṣaraḥ — unfehlbar; iti — so; uktaḥ — wird genannt; tam — dies; āhuḥ — wird bezeichnet als; paramām — die höchste; gatim — Bestimmung; yam — welche; prāpya — erreichend; na — nie; nivartante — kommen zurück; tat — dies; dhāma — Reich; paramam — höchstes; mama — Mein.

Translation

Das, was die Vedāntisten als unmanifestiert und unfehlbar beschreiben und was als der höchste Bestimmungsort bezeichnet wird, der Ort, von dem man, wenn man ihn erreicht, nie wieder zurückkehrt – dies ist Mein höchstes Reich.

Purport

ERLÄUTERUNG: Das höchste Reich Kṛṣṇas, der Persönlichkeit Gottes, wird in der Brahma-saṁhitā als cintāmaṇi-dhāma bezeichnet, ein Ort, an dem alle Wünsche erfüllt werden. In diesem höchsten Reich Śrī Kṛṣṇas, das als Goloka Vṛndāvana bekannt ist, stehen zahllose Paläste aus dem Stein der Weisen. Es gibt dort auch Bäume, „Wunschbäume“ genannt, die auf Wunsch jede Art von Speise zur Verfügung stellen, und Kühe, surabhi-Kühe genannt, die eine unbegrenzte Menge Milch geben. In diesem Reich dienen dem Herrn Tausende und Abertausende von Glücksgöttinnen (Lakṣmīs), und man nennt Ihn Govinda, den urersten Herrn und die Ursache aller Ursachen. Er pflegt auf Seiner Flöte zu spielen (veṇuṁ kvaṇantam). In allen Welten gibt es nichts Anziehenderes als Seine transzendentale Gestalt – Seine Augen sind wie die Blütenblätter einer Lotosblume, und die Tönung Seines Körpers gleicht der Farbe von Wolken. Er ist so anziehend, daß Seine Schönheit die Schönheit Tausender von Liebesgöttern übertrifft. Er trägt ein safrangelbes Gewand und eine Blumengirlande, und in Seinem Haar steckt eine Pfauenfeder. In der Bhagavad-gītā gibt Śrī Kṛṣṇa nur einen kleinen Hinweis auf Sein persönliches Reich Goloka Vṛndāvana, den höchsten Planeten im spirituellen Königreich. Eine anschauliche Beschreibung ist in der Brahma-saṁhitā zu finden. In den vedischen Schriften (Kaṭha Upaniṣad 1.3.11) heißt es, daß es nichts Höheres gibt als das Reich des Höchsten Herrn und daß dieses Reich das endgültige Ziel ist (puruṣān na paraṁ kiñcit sā kāṣṭhā paramā gatiḥ). Wenn man es erreicht, kehrt man nie wieder in die materielle Welt zurück. Kṛṣṇas höchstes Reich und Kṛṣṇa Selbst sind nicht voneinander verschieden, da sie von gleicher Eigenschaft sind. Auf unserer Erde ist Vṛndāvana, das etwa 150 Kilometer südöstlich von Delhi liegt, ein Ebenbild des höchsten Goloka Vṛndāvana, das sich in der spirituellen Welt befindet. Als Kṛṣṇa auf der Erde erschien, entfaltete Er Seine transzendentalen Spiele in diesem besonderen Gebiet von ungefähr 270 Quadratkilometern, das als Vṛndāvana bekannt ist und im Bezirk von Mathurā, Indien, liegt.

Text

puruṣaḥ sa paraḥ pārtha
bhaktyā labhyas tv ananyayā
yasyāntaḥ-sthāni bhūtāni
yena sarvam idaṁ tatam

Synonyms

puruṣaḥ — die Höchste Persönlichkeit; saḥ — Er; paraḥ — der Höchste, über dem es keinen Größeren gibt; pārtha — o Sohn Pṛthās; bhaktyā — durch hingebungsvollen Dienst; labhyaḥ — kann erreicht werden; tu — aber; ananyayā — ungetrübt, nicht abweichend; yasya — den; antaḥ- sthāni — innerhalb; bhūtāni — die gesamte materielle Manifestation; yena — von dem; sarvam — alles; idam — was auch immer wir sehen; tatam — wird durchdrungen.

Translation

Der Herr, die Höchste Persönlichkeit Gottes, der größer ist als alle, kann durch ungetrübte Hingabe erreicht werden. Obwohl Er Sich in Seinem Reich aufhält, ist Er alldurchdringend, und alles ruht in Ihm.

Purport

ERLÄUTERUNG: Hier wird eindeutig gesagt, daß der höchste Bestimmungsort, von dem es keine Rückkehr gibt, das Reich Kṛṣṇas, der Höchsten Person, ist. Die Brahma-saṁhitā beschreibt dieses höchste Reich als ānanda-cinmaya-rasa, einen Ort, an dem alles voll spiritueller Glückseligkeit ist. Alle Mannigfaltigkeit, die es dort gibt, weist die Eigenschaft spiritueller Glückseligkeit auf – nichts dort ist materiell. Diese Mannigfaltigkeit ist die spirituelle Erweiterung, die vom Höchsten Herrn Selbst ausgeht, denn alles, was dort existiert, ist eine Manifestation der spirituellen Energie, wie im Siebten Kapitel erklärt wurde. Aber obwohl der Herr ewiglich in diesem höchsten Reich weilt, ist Er gleichzeitig in der materiellen Welt – durch Seine materielle Energie – alldurchdringend. Auf diese Weise ist Er durch Seine materiellen und spirituellen Energien überall gegenwärtig, sowohl in der materiellen wie auch in der spirituellen Welt. Yasyāntaḥ-sthāni bedeutet, daß alles in Ihm ruht, entweder in Seiner spirituellen oder in Seiner materiellen Energie. Durch diese beiden Energien ist der Herr alldurchdringend.

Kṛṣṇas höchstes Reich oder die unzähligen Vaikuṇṭha-Planeten zu erreichen ist nur durch bhakti, hingebungsvollen Dienst, möglich, wie hier durch das Wort bhaktyā deutlich wird. Kein anderer Vorgang kann einem helfen, in dieses höchste Reich zu gelangen. Dieses höchste Reich und die Höchste Persönlichkeit Gottes werden auch in den Veden (Gopāla-tāpanī Upaniṣad 1.21) beschrieben. Eko vaśī sarva-gaḥ kṛṣṇaḥ: In diesem Reich gibt es nur einen Herrn, eine Höchste Persönlichkeit Gottes, und Sein Name ist Kṛṣṇa. Er ist die höchste und barmherzigste Gottheit, und obwohl Er diese eine Höchste Person ist, hat Er Sich in Millionen und Abermillionen von vollständigen Erweiterungen manifestiert. Die Veden vergleichen den Herrn mit einem Baum, der still an einem Ort steht, jedoch eine Vielfalt von Früchten, Blüten und sich wandelnden Blättern hervorbringt. Die vollständigen Erweiterungen des Herrn, die über die Vaikuṇṭha-Planeten herrschen, sind vierarmig und tragen die verschiedensten Namen: Puruṣottama, Trivikrama, Keśava, Mādhava, Aniruddha, Hṛṣīkeśa, Saṅkarṣaṇa, Pradyumna, Śrīdhara, Vāsudeva, Dāmodara, Janārdana, Nārāyaṇa, Vāmana, Padmanābha usw.

Die Brahma-saṁhitā (5.37) bestätigt diese Tatsache ebenfalls: goloka eva nivasaty akhilātma-bhūtaḥ. Der Herr weilt ewig in Seinem höchsten Reich, Goloka Vṛndāvana, aber gleichzeitig ist Er alldurchdringend, so daß alles seine Ordnung hat. In diesem Zusammenhang heißt es in den Veden (Śvetāśvatara Upaniṣad 6.8): parāsya śaktir vividhaiva śrūyate/ svābhāvikī jñāna-bala-kriyā ca. Seine Energien sind so umfassend, daß sie alles in der kosmischen Manifestation systematisch und fehlerfrei lenken, obwohl der Höchste Herr Selbst weit, weit entfernt ist.

Text

yatra kāle tv anāvṛttim
āvṛttiṁ caiva yoginaḥ
prayātā yānti taṁ kālaṁ
vakṣyāmi bharatarṣabha

Synonyms

yatra — zu welcher; kāle — Zeit; tu — und; anāvṛttim — keine Rückkehr; āvṛttim — Rückkehr; ca — auch; eva — gewiß; yoginaḥ — verschiedene Arten von Mystikern; prayātāḥ — nach dem Verscheiden; yānti — erreichen; tam — diese; kālam — Zeit; vakṣyāmi — Ich werde beschreiben; bharata-ṛṣabha — o bester der Bhāratas.

Translation

O bester der Bhāratas, Ich werde dir nun die verschiedenen Zeiten erklären, die beim Verlassen dieser Welt entscheiden, ob der yogī zurückkehrt oder nicht.

Purport

ERLÄUTERUNG: Die unverfälschten Geweihten des Höchsten Herrn, die völlig ergebene Seelen sind, kümmern sich nicht darum, wann oder durch welche Methode sie ihren Körper verlassen. Sie überlassen alles Kṛṣṇa und kehren so leicht und glücklich zu Gott zurück. Aber diejenigen, die keine unverfälschten Gottgeweihten sind und statt dessen auf Methoden spiritueller Verwirklichung wie karma-yoga, jñāna-yoga oder haṭha-yoga bauen, müssen den Körper zu einer geeigneten Zeit verlassen, um sicherzugehen, daß sie nicht wieder in diese Welt von Geburt und Tod zurückkehren müssen.

Wenn der yogī die Vollkommenheit erreicht hat, kann er selbst bestimmen, zu welcher Zeit und unter welchen Umständen er die materielle Welt verläßt. Aber wenn er nicht so vollkommen ist, hängt sein Erfolg davon ab, ob er zufällig zu einer bestimmten günstigen Zeit stirbt. Im nächsten Vers erklärt der Herr, welches diese günstige Zeit ist, die bewirkt, daß man nach dem Verlassen des Körpers nicht mehr zurückkehrt. Nach Ācārya Baladeva Vidyābhūṣana bezieht sich das Sanskritwort kāla hier auf die Gottheit der Zeit.

Text

agnir jyotir ahaḥ śuklaḥ
ṣaṇ-māsā uttarāyaṇam
tatra prayātā gacchanti
brahma brahma-vido janāḥ

Synonyms

agniḥ — Feuer; jyotiḥ — Licht; ahaḥ — Tag; śuklaḥ — die helle Monatshälfte; ṣaṭ-māsāḥ — die sechs Monate; uttara-ayanam — wenn die Sonne im Norden reist; tatra — dort; prayātāḥ — diejenigen, die verscheiden; gacchanti — gehen; brahma — zum Absoluten; brahma-vidaḥ — die das Absolute kennen; janāḥ — Menschen.

Translation

Diejenigen, die das Höchste Brahman kennen, erreichen dieses Höchste, indem sie während der Zeit aus der Welt scheiden, in der der Feuergott seinen Einfluß ausübt, im Licht, zu einem glückverheißenden Augenblick des Tages, während der vierzehn Tage des zunehmenden Mondes oder während der sechs Monate, wenn die Sonne im Norden reist.

Purport

ERLÄUTERUNG: Wenn von Feuer, Licht, Tag und der Monatshälfte des Mondes die Rede ist, so sollte man verstehen, daß über all diese Faktoren verschiedene Gottheiten herrschen, die für die Reise der Seele Vorkehrungen treffen. Zum Zeitpunkt des Todes wird man vom Geist zu einem neuen Körper getragen. Wenn man den Körper zu der oben beschriebenen Zeit geplant oder auch zufällig verläßt, ist es einem möglich, das unpersönliche brahmajyoti zu erreichen. Mystiker, die in der Praxis des yoga fortgeschritten sind, können die Zeit und den Ort ihres Verscheidens selbst bestimmen. Andere haben darüber keine Kontrolle – wenn sie durch Zufall in einem glückverheißenden Augenblick verscheiden, werden sie nicht in den Kreislauf von Geburt und Tod zurückkehren, doch wenn nicht, ist es durchaus möglich, daß sie zurückkehren müssen. Für den reinen Gottgeweihten im Kṛṣṇa-Bewußtsein jedoch besteht nicht die Gefahr der Rückkehr, ob er den Körper nun in einem günstigen oder in einem ungünstigen Augenblick, überraschend oder unter Vorkehrungen verläßt.

Text

dhūmo rātris tathā kṛṣṇaḥ
ṣaṇ-māsā dakṣiṇāyanam
tatra cāndramasaṁ jyotir
yogī prāpya nivartate

Synonyms

dhūmaḥ — Rauch; rātriḥ — Nacht; tathā — auch; kṛṣṇaḥ — die vierzehn Tage des dunklen Mondes; ṣaṭ-māsāḥ — die sechs Monate; dakṣiṇa- ayanam — wenn die Sonne im Süden reist; tatra — dort; cāndramasam — den Mondplaneten; jyotiḥ — das Licht; yogī — der Mystiker; prāpya — erreichend; nivartate — kehrt zurück.

Translation

Der Mystiker, der während des Rauches verscheidet, nachts, während der vierzehn Tage des abnehmenden Mondes oder während der sechs Monate, wenn die Sonne im Süden reist, erreicht den Mondplaneten, kehrt aber wieder zurück.

Purport

ERLÄUTERUNG: Im Dritten Canto des Śrīmad-Bhāgavatam erklärt Kapila Muni, daß diejenigen, die auf der Erde fruchtbringende Tätigkeiten und Opferrituale mit Sachkenntnis ausführen, nach dem Tod den Mond erreichen. Diese fortgeschrittenen Seelen leben (nach der Zeitrechnung der Halbgötter) etwa 10000 Jahre auf dem Mond und genießen das Leben, indem sie soma-rasa trinken. Am Ende kehren sie jedoch wieder auf die Erde zurück. Das bedeutet, daß es auf dem Mond höherentwickelte Lebewesen gibt, auch wenn es uns nicht möglich sein mag, sie mit unseren grobstofflichen Sinnen wahrzunehmen.

Text

śukla-kṛṣṇe gatī hy ete
jagataḥ śāśvate mate
ekayā yāty anāvṛttim
anyayāvartate punaḥ

Synonyms

śukla — Licht; kṛṣṇe — und Dunkelheit; gatī — Wege des Verlassens; hi — gewiß; ete — diese beiden; jagataḥ — der materiellen Welt; śāśvate — der Veden; mate — nach der Meinung; ekayā — auf dem einen; yāti — geht; anāvṛttim — zu keiner Rückkehr; anyayā — auf dem anderen; āvartate — kehrt zurück; punaḥ — wieder.

Translation

Nach Ansicht der Veden gibt es zwei Wege, auf denen man diese Welt verlassen kann – einen im Licht und einen in der Dunkelheit. Wer im Licht verscheidet, kommt nicht wieder zurück. Wer jedoch in der Dunkelheit verscheidet, kehrt zurück.

Purport

ERLÄUTERUNG: Ācārya Baladeva Vidyābhūṣaṇa führt ein Zitat aus der Chāndogya Upaniṣad (5.10.3–5) an, das dieses Thema von Dahinscheiden und Wiederkehr auf die gleiche Weise beschreibt. Somit ist es denjenigen, die seit unvordenklichen Zeiten fruchtbringender Arbeit und philosophischen Spekulationen nachgehen, bestimmt, ständig zu gehen und zurückzukehren. Im Grunde erlangen sie keine endgültige Erlösung, da sie sich nicht Kṛṣṇa ergeben.

Text

naite sṛtī pārtha jānan
yogī muhyati kaścana
tasmāt sarveṣu kāleṣu
yoga-yukto bhavārjuna

Synonyms

na — niemals; ete — diese zwei; sṛtī — verschiedenen Wege; pārtha — o Sohn Pṛthās; jānan — selbst wenn er kennt; yogī — der Geweihte des Herrn; muhyati — ist verwirrt; kaścana — irgendein; tasmāt — deshalb; sarveṣu kāleṣu — immer; yoga-yuktaḥ — im Kṛṣṇa-Bewußtsein beschäftigt; bhava — werde nur; arjuna — o Arjuna.

Translation

Obwohl die Gottgeweihten diese beiden Wege kennen, o Arjuna, sind sie niemals verwirrt. Sei deshalb stets in Hingabe gefestigt.

Purport

ERLÄUTERUNG: Kṛṣṇa rät Arjuna hier, sich von den verschiedenen Wegen, die die Seele einschlagen kann, wenn sie die materielle Welt verläßt, nicht verwirren zu lassen. Ein Geweihter des Höchsten Herrn sollte sich nicht darum sorgen, ob er unter Vorkehrung oder zufällig verscheiden wird. Der Gottgeweihte sollte fest im Kṛṣṇa-Bewußtsein verankert sein und Hare Kṛṣṇa chanten. Er sollte sich darüber bewußt sein, daß es nur Schwierigkeiten mit sich bringt, wenn man sich mit diesen Wegen befaßt. Das beste Mittel, sich ununterbrochen ins Kṛṣṇa-Bewußtsein zu vertiefen, besteht darin, immer mit Kṛṣṇas Dienst verbunden zu sein; das wird den Weg zum spirituellen Königreich gefahrlos, sicher und direkt machen.

Das Wort yoga-yukta ist in diesem Vers von besonderer Bedeutung. Wer im yoga gefestigt ist, beschäftigt sich bei all seinen Tätigkeiten stets im Kṛṣṇa-Bewußtsein. Śrī Rūpa Gosvāmī empfiehlt, in materiellen Angelegenheiten unangehaftet zu sein und all seine Tätigkeiten im Kṛṣṇa-Bewußtsein auszuführen (anāsaktasya viṣayān yathārham upayuñjataḥ). Durch diesen Vorgang, der yukta-vairāgya genannt wird, erlangt man Vollkommenheit. Deshalb ist der Gottgeweihte nicht verwirrt, wenn er diese Beschreibungen hört, denn er weiß, daß es ihm aufgrund seines hingebungsvollen Dienstes garantiert ist, in das höchste Reich zurückzukehren.

Text

vedeṣu yajñeṣu tapaḥsu caiva
dāneṣu yat puṇya-phalaṁ pradiṣṭam
atyeti tat sarvam idaṁ viditvā
yogī paraṁ sthānam upaiti cādyam

Synonyms

vedeṣu — im Studium der Veden; yajñeṣu — in der Ausführung von yajñas, Opfern; tapaḥsu — im Auferlegen verschiedener Arten von Entsagung; ca — auch; eva — gewiß; dāneṣu — beim Geben von Spenden; yat — das, was; puṇya-phalam — Ergebnis auf fromme Tätigkeiten; pradiṣṭam — hingewiesen; atyeti — übertrifft; tat sarvam — dies alles; idam — dies; viditvā — wissend; yogī — der Gottgeweihte; param — höchstes; sthānam — Reich; upaiti — erreicht; ca — auch; ādyam — ursprünglich.

Translation

Jemand, der sich dem Pfad des hingebungsvollen Dienstes zuwendet, ist nicht der Ergebnisse beraubt, die man erhält, wenn man die Veden studiert, Opfer darbringt, sich Entsagungen auferlegt, Spenden gibt oder philosophischen und fruchtbringenden Tätigkeiten nachgeht. Einfach dadurch, daß er hingebungsvollen Dienst ausführt, erreicht er dies alles, und am Ende gelangt er in das höchste, ewige Reich.

Purport

ERLÄUTERUNG: Dieser Vers ist die Zusammenfassung des Siebten und Achten Kapitels, in denen insbesondere Kṛṣṇa-Bewußtsein und hingebungsvoller Dienst behandelt werden. Man muß die Veden unter der Anleitung eines spirituellen Meisters studieren und sich viele Arten der Entsagung und Buße auferlegen, während man unter seiner Obhut lebt. Ein brahmacārī muß im Hause des spirituellen Meisters wie ein Diener leben, und er muß von Tür zu Tür gehen, um Almosen betteln und sie dem spirituellen Meister bringen. Er nimmt nur auf Geheiß seines spirituellen Meisters Essen zu sich, und wenn es der Meister einmal versäumt, den Schüler zum Essen zu rufen, so fastet dieser. Dies sind einige der vedischen Prinzipien für das brahmacarya-Leben.

Wenn der Schüler unter der Anleitung des Meisters vom fünften bis zum zwanzigsten Lebensjahr die Veden studiert, kann er einen vollkommenen Charakter entwickeln. Das Studium der Veden ist nicht für die Mußestunden von Lehnstuhlspekulanten bestimmt, sondern für die Bildung des Charakters. Nach dieser Schulung ist es dem brahmacārī erlaubt, zu heiraten und ein Leben als Haushälter zu führen. Als Haushälter muß er viele Opfer ausführen, um nach weiterer Erleuchtung zu streben. Ebenso muß er Spenden geben, indem er sich nach dem Land, der Zeit und dem Empfänger richtet und zwischen Spenden in Tugend, in Leidenschaft und in Unwissenheit unterscheidet, wie es in der Bhagavad-gītā beschrieben wird. Wenn er sich vom Haushälterleben zurückzieht und in den Lebensstand des vānaprastha tritt, nimmt er schwere Entsagung auf sich, wie im Wald zu leben, sich mit Baumrinde zu kleiden, sich nicht zu rasieren, usw. Wer nach den Vorschriften des brahmacarya, gṛhastha, vānaprastha und schließlich sannyāsa lebt, wird auf die vollkommene Stufe des Lebens erhoben. Einige gelangen auf die himmlischen Königreiche, und wenn sie dort weiteren Fortschritt machen, erreichen sie die Befreiung im spirituellen Himmel – entweder im unpersönlichen brahmajyoti oder auf den Vaikuṇṭha-Planeten oder auf Kṛṣṇaloka. Das ist der Pfad, der von den vedischen Schriften beschrieben wird.

Das Wunderbare am Kṛṣṇa-Bewußtsein ist jedoch, daß man mit einem Mal – indem man sich im hingebungsvollen Dienst beschäftigt – alle Rituale der verschiedenen Lebensstände hinter sich lassen kann.

Die Worte idaṁ viditvā weisen darauf hin, daß man sich darum bemühen soll, die Unterweisungen, die Śrī Kṛṣṇa hier in diesem Kapitel und im Siebten Kapitel der Bhagavad-gītā gibt, zu verstehen. Man sollte nicht versuchen, diese Kapitel durch akademische Gelehrsamkeit oder gedankliche Spekulation zu verstehen, sondern durch Hören in der Gemeinschaft von Gottgeweihten. Die Kapitel Sieben bis Zwölf sind die Essenz der Bhagavad-gītā. Die ersten sechs und die letzten sechs Kapitel sind wie eine Fassung, in die die mittleren sechs Kapitel, die vom Herrn besonders beschützt werden, eingebettet sind. Wenn jemand das Glück hat, die Bhagavad-gītā – und besonders diese mittleren sechs Kapitel – in der Gemeinschaft von Gottgeweihten verstehen zu lernen, wird sein Leben sogleich ruhmreich und erhaben über alle Bußen, Opfer, Spenden und Spekulationen, denn alle Ergebnisse, die man durch diese Tätigkeiten erreicht, erreicht man direkt durch Kṛṣṇa-Bewußtsein.

Jeder, der ein wenig Glauben in die Bhagavad-gītā besitzt, sollte die Bhagavad-gītā von einem Gottgeweihten lernen, denn wie zu Beginn des Vierten Kapitels klar gesagt wurde, kann die Bhagavad-gītā nur von Gottgeweihten verstanden werden; niemand sonst ist in der Lage, den Sinn der Bhagavad-gītā vollkommen zu verstehen. Man sollte sich deshalb an einen Geweihten Kṛṣṇas, und nicht an mentale Spekulanten, wenden, wenn man die Bhagavad-gītā verstehen will. Dies ist ein Zeichen von Glauben. Eigentlich beginnt das echte Studium der Bhagavad-gītā erst dann, wenn man einen Gottgeweihten sucht und glücklicherweise die Gemeinschaft eines solchen Gottgeweihten bekommt. Erst dann gelangt man zum richtigen Verständnis der Bhagavad-gītā. Indem man in der Gemeinschaft dieses Gottgeweihten Fortschritt macht, erreicht man die Stufe des hingebungsvollen Dienstes, und dieser Dienst beseitigt alle Zweifel über Kṛṣṇa, Gott, und Seine Taten, Seine Gestalt, Seine Spiele, Seinen Namen und all Seine anderen Aspekte. Wenn all diese Zweifel und falschen Vorstellungen vollkommen berichtigt sind, wird man in seinem Studium nicht mehr abgelenkt. Dann erfährt man im Studium der Bhagavad-gītā große Freude und erreicht die Stufe, wo man sich immer Kṛṣṇa-bewußt fühlt. Auf der fortgeschrittenen Stufe verliebt man sich völlig in Kṛṣṇa, und diese höchstvollkommene Stufe des Lebens öffnet dem Gottgeweihten das Tor zu Kṛṣṇas Reich im spirituellen Himmel, Goloka Vṛndāvana, wo der Gottgeweihte ewiges Glück erlangt.

Hiermit enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum Achten Kapitel der Śrīmad Bhagavad-gītā mit dem Titel: „Wie man den Höchsten erreicht“.